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Abdullah Ibrahim sorgt für emotionalen Höhepunkt in Leverkusen

8 Nov 2023

Abdullah Ibrahim, häufiger Gast bei den Jazztagen, hat im Erholungshaus ein Solo-Konzert gegeben – ein zutiefst berührender Auftritt.

Abdullah Ibrahim steht an den Flügel gelehnt auf der Bühne des Erholungshauses und singt ein Lied. Es beginnt mit rufendem Singsang in einer afrikanischen Sprache, dann setzt Ibrahim auf Englisch sein an einen Gospelsong erinnerndes Stück aus der Ich-Perspektive fort. Es geht um das Licht an der Küste, das er auf dem im Meer hin- und herschaukelnden Sklavenschiff sieht, es geht um seine Heimat Afrika, die so, so, so weit weg ist, und seine Hoffnung, diese Heimat wiederzusehen.

Das Lied, das der 89-jährige Ibrahim singt, unterstützt nur von seiner Frau Marina Umari, die schweigend neben ihm steht, ist der emotionale Höhepunkt dieses denkwürdigen Abends im Erholungshaus. Und er greift mit dem Text sein Lebensthema auf – die Unterdrückung der Schwarzen in Südafrika während der Apartheid, der Kampf für die Freiheit der Schwarzen insgesamt. 

Abdullah Ibrahim lässt Klanglandschaften entstehen

Doch darum geht es zu Beginn des Solo-Konzerts vor fast ausverkauftem Haus erst einmal nicht. Umari geleitet Ibrahim an den Flügel, denn der 89-Jährige sieht nicht mehr so gut. Er verbeugt sich kurz in Richtung Publikum, setzt sich und beginnt ansatzlos zu spielen. Was folgt, ist eine einstündige Reise durch die Melodien und Klangwelten Ibrahims, wie sie etwa auf der CD „Dream Time“ aus dem Jahr 2019 zu hören sind.

Ibrahim sitzt zu Beginn unbewegt am Flügel, mit zunehmender Dauer geht der Oberkörper mit, während die feingliedrigen langen Finger über die Tasten gleiten, mitunter summt die Jazz-Ikone, sich selbst während dieser Improvisationsreise kommentierend, mit. So reiht der aus Kapstadt stammende Pianist meist langsam gespielte Motive aneinander, um dann jäh zu einem kurzen schnellen Lauf über die Tasten anzusetzen.

Erholungshaus für Solo-Konzert die richtige Wahl Doch es geht nicht um die Demonstration rasanter Fingerfertigkeit in hohem Alter. Es geht um traum- oder trancehafte musikalische Bilder, die im Zuhörer entstehen und sich in ihrer Wiederholung verfestigen. Mitunter scheinen auch von anderswo bekannte Tonfolgen durch, etwa Teile des Refrains des Rolling-Stones-Hits „Miss you“. Es herrscht andächtige und konzentrierte Stille im Saal, die sich fokussiert auf diesen grauhaarigen, schwarz gekleideten Star dieser Jazztage und die musikalischen Landschaften, die er ausbreitet. 

Ibrahim war bereits häufiger Gast in Leverkusen. Die Entscheidung, ihn nicht, wie bisher immer, im Forum auftreten zu lassen, sondern im Erholungshaus, erweist sich als absolut richtig, denn die Akustik im Konzertsaal der Bayer AG eignet sich für ein nicht elektrisch verstärktes Solo-Konzert am Flügel einfach viel besser als die raumklanglichen Bedingungen der städtischen Konzerthalle. Als der letzte Ton verklingt und nach ein paar Augenblicken begeisterter Applaus einsetzt, als der gesamte Saal sich erhebt, um ihn zu ehren, nimmt Ibrahim die Ovationen sitzend entgegen und legt seine rechte auf sein Herz. Gerührt von der Zuneigung, die ihm entgegenströmt, wischt er sich durchs Gesicht.

Er spielt noch eine kurze Zugabe, dann tritt seine Frau auf die Bühne und Ibrahim erhebt sich für sein Lied. „Ich bin ein Pilot, ich führe meine Passagiere in die dunklen Ecken ihrer Seele, dorthin, wo sie sich normalerweise nicht hinwagen“, hat Ibrahim 2007 dem Spiegel gesagt. Und so changiert sein Gospel zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Er singt von seiner erträumten Rückkehr in die Heimat, aus der er als Sklave fortgerissen wurde: „Es gab niemanden, der mich willkommen geheißen hat an dem Tag, als ich heimkehrte.“ Erneut applaudiert das Publikum begeistert und im Stehen. Und nicht wenigen im Erholungshaus dürften Tränen der Rührung in den Augen gestanden haben.